„Bankrupt Gay Teen Site May Be Forced to Hand Over Personal Information of Users“ war neulich die Überschrift bei ReadWriteWeb.
Übersetzt in etwa: Bankrotte Webseite für schwule Teenager muß wahrscheinlich die Daten der Kunden verkaufen. Diese Meldung lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Kaum eine „Zielgruppe“ ist mehr auf den vertraulichen Umgang mit ihren Daten angewiesen. Und die Bemerkung der Insolvenzverwalter macht’s nicht besser. Nach bestem Wissen und Gewissen selbst übersetzt:
Der gesamte Besitz, der auf dem Konkursantrag des Gläubigers aufgeführt ist, gehört zur Konkursmasse, und [die Insolvenzverwaltung] hat die Absicht, sie zum Nutzen der Gläubiger zu verwalten.
Was bedeutet das für uns Europäer?
- Wir als „Datenreisende“ sollten noch einmal eine Nummer vorsichtiger werden, wenn wir unsere Daten an irgendeinen High-Flyer-Start-up aus den USA geben. Gute Kandidaten sind im Moment Location-based services wie Foursquare (en) und Gowalla (en). Beide Web Sites wachsen gerade exponenziell, und beide sind noch nicht aus dem Start-Up-Stadium heraus. Ein Konkurs wäre (wohl im Gegensatz zu Facebook) theoretisch noch denkbar.
- Ich würde hoffen, daß die europäischen Datenschützer die „Safe Harbour„-Regeln noch einmal unter die Lupe nehmen. Es kann nicht sein, daß Daten unter der „Safe Harbour“-Regel in die USA gelangen und dann die Datenschutzregeln (privacy policies) eines Unternehmens einfach nur durch Konkurs ausgehebelt werden. Auch nicht wenn dieses Vorgehen in den USA schon in den 90ern selbstverständlich war.
- Schön wäre, wenn das Ganze die Datenschutzdiskussion in den USA insgesamt in Gang bringen würde.
Das Thema ergänzt sich schön mit den folgenden „Kurzmeldungen“:
- Tim O’Reilly auf Mark Zuckerbergs Spuren? In einem Interview kürzlich stellte sich Tim O’Reilly auf den Standpunkt, daß wir alle die gesellschaftlichen Folgen des technischen Fortschritts in unserer Gesellschaft noch gar nicht verstanden hätten, und daß es durchaus sinnvoll wäre, mit Augenmaß Datenschutzprinzipien aufzugeben um die Gesellschaft als Ganzes voranzubringen. Beispielsweise sei der Zugang zu medizinischen Daten an sich nicht problematisch – nur missbräuchliche Verwendung. Es geht ihm nicht darum, Datenschutz wegzuwerfen. Es geht ihm darum, noch einmal von vorne gründlich darüber nachzudenken.
Tim O’Reilly ist eine respektable Person, und wenn er an dieser Stelle über Dinge redet, die ich aus jedem anderen Mund einfach als „Blödsinn“ beiseite wischen würde, lohnt das darüber-nachdenken wohl. Doch seine Beispiele sind etwas gruselig, denn sie zielen oft auf bisher nicht veröffentlichte Daten, die durchaus anonymisiert werden könnten.
- Aufmerksame Digitaler-Heimwerker-Leser erinnern sich sicher noch an „Datenschutz – Na Und? … oder: Das Netz vergisst nicht!„. Das Thema hat jetzt auch die New York Times aufgegriffen. In dem Artikel „The Web Means the End of Forgetting“ geht es um die gesellschaftlichen Folgen des perfekten Gedächtnisses, das das Internet über uns inzwischen hat.
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