Sehr genial: „Ich bin die Böse„. Auf mich übertragen:
Ich bin der Böse, obwohl ich seit über zwanzig Jahren praktisch mein ganzes freies Einkommen in Nutzungsrechte irgendeiner Art „investiere“. Ich tue das seit zwanzig Jahren, obwohl ich seit über fünfzehn Jahren Alternativen habe. Ich gebe sogar mehr Geld dafür aus als ich Zeit-Äquivalent habe, hier türmen sich ungelesene Bücher und ungesehene DVDs. Trotzdem muss ich mir immer wieder anhören, …
Ich zitiere – denn wenn ich’s auch so schön schreiben könnte, könnte der Rest von mir sein:
Trotzdem muss ich mir immer wieder anhören, wie böse wir Internetmenschen sind, weil wir immer nur alles umsonst haben wollen und nicht mehr bereit wären, Geld für Kunst zu bezahlen. Liebe Urheber, ich bin sehr wohl dafür, dass ihr Geld für das bekommt, was ihr macht. Es ist mir eigentlich auch schnurzpiep, was ihr bekommt, ich wage überhaupt nicht, eine Meinung darüber zu haben, was welcher Inhalt wert sein sollte. Wenn hunderttausend Leute ein Buch kaufen wollen, dann liegt es mir fern, beurteilen zu wollen, ob das Buch bzw. dessen Autor das jetzt verdient hätte oder nicht. […]
Trotzdem funktioniert die Art, wie das Urheberrecht gehandhabt wird in meinen Augen nicht mehr und ich habe schlicht und einfach ein Problem damit, als jemand, der von dem ihm zur Verfügung stehenden Geld einen nicht unerheblichen Anteil sehr, sehr direkt in vom Urheberrecht betroffene Konsumgüter und Veranstaltungen steckt, dann noch kriminalisiert zu werden.
Und ich füge Annes Artikel hinzu: Und ich habe die Nase voll davon, dass diese ehrlich erworbenen und bezahlten Nutzungsrechte sich dauernd unter meinem Hintern weg zu meinem Nachteil ändern, weil das neue DRM streikt, weil das DRM bzw. Dateiformat mit einem Gerät inkompatibel ist, weil irgendjemand den DRM-Server abschaltet, weil ein neues Gesetz meine (bestehenden!) Rechte geändert hat und so weiter.
Wenn es böse ist, dass ich mich hier persönlich beleidigt, angegriffen und benachteiligt fühle, dann bin ich gerne böse, und ich verstehe sogar noch, dass es einigen „Urhebern“ (naja… vielleicht eher den Verwertern) ähnlich geht: Dass sie sich angegriffen und benachteiligt fühlen.
Die digitale Gesellschaft hat das Potenzial dazu, dass wir in eine Win-Win-Welt steuern, doch so lange wir die Paradigmen der analogen Gesellschaft ohne sie zu reflektieren der digitalen überstülpen, bekommen wir offensichtlich Loose-Loose: Ich fühle mich benachteiligt und angegriffen, und die Urheber fühlen sich genauso. Das haben wir jetzt seit etwa 15 Jahren ausprobiert, wir könnten jetzt wissen, dass das mit dem „Loose-Loose“ sehr zuverlässig funktioniert.
Wie wäre es endlich einmal mit „wir reflektieren die Paradigmen und passen sie an die digitale Welt an“?